Am Samstag, den 05.07.2025, sind zwei Versammlungen in der Region angekündigt: eine Demonstration in Göppingen ab 14:00 Uhr von „Baden Württemberg steht auf“ und eine Kundgebung auf dem Ulmer Münsterplatz vom „The International Schiller Institute“ und „München steht auf“. Beworben werden diese Veranstaltungen vor allem in einschlägigen Querdenkenkreisen.


Hier eine kurze Einschätzung und Einordnung dieser Veranstaltungen und welchen Bezug Sie zu den „Gemeinsam für Deutschland“ Demonstrationen haben.
Göppingen – neuer Anstrich, gleiche Orga
Die Demonstration am 05.07.2025 in Göppingen wird von der Gruppe „Baden Württemberg steht auf“ beworben und organisiert. Unter diesen Namen werden seit Frühjahr 2023 mehrere Social Media- Kanäle (Facebook und Telegram), die vorrangig zu Protesten gegen die Maßnahmen der Corona Pandemie aufriefen, betrieben.
Die Inhalte dieser Kanäle sind typisch für das Querdenken Protestmilieu – sie beginnen bei Kritik konkreter Pandemie- Maßnahmen, reichen aber weit darüber hinaus: generelle Impfgegnerschaft, Relativierung von Corona – aber auch immer wieder: Werbung für AfD Veranstaltungen und die Wiedergabe einschlägig extrem rechter Narrative (beispielhaft: Hass auf die Grünen, Skandalisierung von vermeintlichen bis zu tatsächlichen Messerangriffen, rassistische Narrative über Geflüchtete).




Verhältnis und Abspaltung von „Gemeinsam für Deutschland“
„Baden Württemberg steht auf“ und „Politik und Medien Hand in
Hand – Das schadet unserem Land“ traten als Veranstalter/Organisatoren der ersten „Wir für Deutschland“ Demonstration am 22.03.2025 in Stuttgart auf. Es folgten weitere Demonstrationen unter dem selben Namen am 26.04 in Balingen und Reutlingen sowie am 31.05. in Reutlingen.

All diese Demonstrationen wurden von sichtbaren neonazistischen (Klein)- Gruppen besucht. In Stuttgart am 22.03. waren es etwa 200, in Balingen am 26.04. etwa 29, in Karlsruhe wenige Einzelpersonen und am 31.05. in Reutlingen etwa 40. Wenige Tage nach der Demonstration in Reutlingen am 31.05. wurde auf dem Instagram Kanal „Tübingen Rechtsaußen“ ein Video-Zusammenschnitt der Demonstration veröffentlicht, in dem u.a. ein White-Power Zeichen und ein Hitlergruß zu sehen war (Link zu Instagram).

Auf diese Veröffentlichung reagierte am gleichen Abend einer der Organisatoren Kevin Brügmann mit einem Videostatement. Darin wurde er ungewöhnlich deutlich:
„Ich meine genau die Menschen, die meinen ihre idelogiesierten Handzeichen auf unseren Demos zu machen – Ich scheiß auf euren White-Power Dreck! Auf eure Radikalität, auf euren Extremismus. Ich scheiß auf euch! Wie könnt ihr mit uns für Frieden auf die Straße gehen, wenn in eurem Kopf kein Frieden herrscht. Ich versteh das nicht (…) Es ist einfach widerlich, euer Gedankengut hat nichts mit Frieden zu tun! Und so mit Menschen wie euch geh ich nicht auf die Straße – und jetzt könnt ihr mich Spalter nennen oder sonst irgendwas, ist mir scheiß egal!„
Kevin Brügmann in einem Videostatement vom 03.06.25 um 23:14
Es folgte Diskussionen in den Telegram- und Whatsapp- Gruppen. Am 06. Juni gab „Baden Württemberg steht auf“ bekannt sich aus dem Label „Gemeinsam für Deutschland“ zurückzuziehen. Seitdem gab es keine weitere Versammlungen unter diesem Titel in Baden-Württemberg. Eine klare Benennung der Gründe für diese Entscheidung blieben aus. In einem Statement wird nur sehr allgemein von Uneinigkeiten in mehreren Themen gesprochen.

Ulm – Daniel Langhans lädt zur Podiumsdiskussion
Auf dem Flyer für die Veranstaltung in Ulm stehen „The International Schiller Institute“ und „München steht auf“ als Organisationen. Beworben wird das aktuell vor allem in Querdenken- Telegramkanälen, Federführend scheint hier u.a. Daniel Langhans zu sein. In mehreren regionalen Telegram Kanälen wird eine Einladung zur Kundgebung verbreitet, die von ihm unterschrieben ist und für Rückfragen wird seine berufliche Mail- Adresse (info@profi-akquise.de) angegeben.
Beworben ist eine Podiumsdiskussion mit folgenden Personen:
- Jürgen Todenhöfer
- 84 jähriger deutscher Politiker, ehemals CDU, seit 2020 in seiner eigenen Partei Team Todenhöfer
- Major Florian Pfaff a.D.
- Mitglied in der Partei „die Basis“
- Dr. Daniel Langhans
- zentrale Person in der regionalen Querdenken-Szene
- zeitweise AfD Mitglied (aktueller Status unbekannt)
- trat auf vielen Kundgebungen und Demonstrationen der Querdenken- Protestbewegung auf. Äußerte sich dabei wiederholt verschwörungsideologisch, christlich fundamentalistisch, antifeministisch und homophob
- war 2020 in Kontakt mit Attila Hildmann und bezeichnete Hildmann als eine der wichtigsten Figuren im Deutschen Widerstand
- wurde wegen einer holocaustrelativierenden Rede in Ravensburg wegen Volksverhetzung verurteilt
- Werner Zuse
- Landesvorsitzender Bayern der Bürgerrechtsbewegung Solidarität (BüSo)
- Die BüSo Partei ist eine 1992 gegründete Kleinstpartei, die Teil des inernationalen Netzwerkes um den verstorbenenen Lyndon B. La Rouche ist. Die BüSo und das LaRouche Netzwerk werden seit Jahrzehnten u.a. für ihre antisemitischen Verschwörungserzählungen kritisiert.
- Verweise: Zusammenfassung von Rheinmain-Rechtsaußen von 2024, Artikel der Belltower News von 2017, Artikel im AiB von 2007,
- Benjamin-Alexander Treppe
- Kandidat für die „Vereinigten Direktkandidaten“ um Rainer Füllmich bei der Bundestagswahl 2025 in München
- Alexandra Motschmann
- zentrale Personen aus der Münchner Pandemieleugner:innen Szene, mehrfache Kandidatin für die Partei „die Basis“.
- Ende 2020 war Motschmann Teil einer von AfD-Abgeordneten in den Bundestag eingeschleusten Gruppe, aus der heraus verschiedene Politiker angesprochen und verbotenerweise gefilmt wurden.
- Motschmann sprach am 06.02.2024 bei einer Bürgerversammlung in Warngau an einem offenen Mikrofon und bezeichnete sich dort als „Vertreterin von Die Basis, Werteunion und AfD“ laut dem Merkur
- Dennis Janßen
Der Streamer „SpunktTV“ bzw. Helge Stark aus der Querdenken- Protestbewegung hat sich ebenfalls angekündigt. Stark tritt wiederholt im süddeutschen Raum auf und fällt dabei u.a. dadurch auf, dass er Personen, die Gegenmeinungen kundtun in Nahaufnahmen abfilmt und selbst immer wieder verbal provoziert.
Einschätzung
Die faktische Abspaltung von „Gemeinsam für Deutschland“ in Baden-Württemberg ist untypisch für die Querdenken- Protestbewegung. Eines der zentralen Mantras war und ist „keine Spaltung“. Das unübersehbare Auftreten von neonazistischen Kleingruppen hat offensichtlich für eine derartige Zuspitzung gesorgt, dass die scheinbare Widersprüchlichkeit einer Abspaltung überwunden wurde. Innerhalb des überschaubaren Personenkreis der Kernorganisation, die zentrale Aufgaben wie Anmeldung, Technik, Werbung, Ordner:innen, … übernimmt, wurde ein Frustrationspunkt erreicht, der zu dieser ungewöhnlichen Spaltung führt. Ebenfalls bemerkenswert ist, dass die zwei Versammlugen am Samstag trotz räumlicher Nähe (50km), parallel zueinander stattfinden.
Wir gehen davon aus, dass eine Wiederholung der Erfolge des Frühjahres (ca 1.500 Demonstrationsteilnehmende in Stuttgart, mehrere hundert Teilnehmende in Reutlingen und Balingen) weder in Ulm noch in Göppingen stattfinden wird. Die neonazistischen Kleinstgruppen rufen bisher zu keiner Teilnahme auf und haben scheinbar ihren Fokus verschoben.
Die Dynamik der „Gemeinsam für Deutschland“ Proteste scheint in Baden-Württemberg gebrochen zu sein. Dazu maßgeblich beigetragen haben die konstante Thematisierung der neonazistischen Teilnahme sowie antifaschistischer Gegenprotest.
Die öffentliche Distanzierung von neonazistischen Demonstrationsteilnehmenden ist neu. Ob auch eine inhaltliche Abkehr von extrem rechten Narrativen (Grenzschließung als Lösung für alles, rassistische Sterotypisierung von vor allem Geflüchteten, Queerfeindlichkeit getarnt als Kinderschutz) bleibt abzuwarten.
Die genauen Gründe für die Abspaltung und öffentliche Distanzierung sind unklar. Unabhängig davon äußern die Reste der Querdenken- Protestbewegung in Baden-Württemberg wiederholt extrem rechte Narrative. Davon ist keine Distanzierung absehbar. Ein gemeinsames Mobilisierungspotenzial ist anlassbezogen (typische rechte Bewegungsübergreifende Situationen wie Asylunterkünfte, CSDs, Instrumentalisierung einzelner Straftaten) weiterhin gegeben, unbahängig von dem Scheitern von „Gemeinsam für Deutschland“.
Ob eine Wiederbelebung der größeren Proteste möglich ist, wird der Samstag zeigen. Wir gehen jedoch von zwei typischen Querdenken- Veranstaltungen mit langen Reden, wenig bis keiner öffentlichen Resonanz und geringer Zahl an teilnehmenden Personen aus.
Quellen:
- Auswertung diverser Chat Kanäle aus der Querdenken Protestbewegung und Gemeinsam für Deutschland
- ADIZ Baden-Württemberg – Chronik rechter Aktivitäten in Baden-Württemberg (Mai 2025)
- Indymedia: Nazis auf der „Gemeinsam für Deutschland Demo“ in Reutlingen (am 31.05.)
- Flickr. Gemeinsam für Deutschland Reutlingen 31. Mai 2025
- ADIZ Baden-Württemberg – Chronik rechter Aktivitäten in Baden-Württemberg (April 2025)
- Indymedia: Rechte Beteiligung am 26.04. in Balingen
- Indymedia: Nazis auf der Kundgebung: „Gemeinsam für Deutschland“ am 26.04. in Karlsruhe
- Flickr: Fotos von der Gemeinsam für Deutschland Demo in Karlsruhe am 26.04. https://www.flickr.com/photos/202703628@N07/
- ADIZ Baden-Württemberg – Neue Neonazis und die Demonstration am 22. März 2025 in Stuttgart
- Indymedia: Übersicht der Nazis auf der „Gemeinsam für Deutschland“- Demo in Stuttgart (23.03.2025)
- Flickr: Fotos von der Gemeinsam für Deutschland Demo in Stuttgart am 22.03.2025 Teil 1 + Teil 2
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